KATHARINA SOMMER |
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SCHATTENWESEN NACHTGESTALTEN
Im Maskenspiel ungelebtes Leben lebendig werden lassen |
Schatten --- kühl und dunkel ist er, wenig oder keine Farben hat er, ein Schutz vor der Sonne ist er, ein gutes Versteck. Seine Klarheit, seine Unschärfe, seine Wandelbarkeit, schmal, groß, mächtig, leicht, ohne Körper erscheint er in der Welt. Nur in den dunkelsten Nächten gibt es ihn nicht, schön und klar ist er in der aufgehenden und verschwindenden Sonne und mit dem Mond. Die volle Sonne über unseren Köpfen lässt ihn verschwinden trotz strahlendem Licht: der Grundlage seiner Existenz.
Schattenwesen, Nachtgestalten sind sich verwandt und stehen für seelische Bilder, traumhaft, unbestimmt, unbekannt. Das was hinter mir ist, wenn ich der Sonne zugewandt bin, was nicht im Licht erscheint. Im Dunklen kann ich schlecht sehen, bin auf meinen Tastsinn und mein Gefühl, meinen Instinkt, meinen sechsten Sinn angewiesen. Es ist die Welt der Nacht, des Traumes im Gegensatz zur Wirklichkeit des Hellen und des Tages. Was ist nun wirklicher: Tag und Licht oder Nacht und Traum?
In allen Selbst-Erfahrungen, sei es im Buddhismus, in der Analytischen Psychologie von C.G.Jung oder anderen Traditionen ist die Auseinandersetzung, die Begegnung mit der inneren Wirklichkeit des Unbewussten und Bewussten zentraler Bestandteil aller Entwicklungs- und Heilungsprozesse.
„Es gibt keine Wirklichkeit als die, die wir in uns haben. Darum leben die meisten Menschen so unwirklich, weil sie die Bilder außerhalb für das Wirkliche halten und ihre eigene Welt in sich gar nicht zu Wort kommen lassen“
(HERMANN HESSE „Demian)
Schatten sind Bilder für ungelebte Anteile des Selbst. Besonders in der Nacht finden sie Gestalt in unseren Träumen, Ängsten, Visionen und Wünschen.
In Zeichnungen, Bildern jedweder Art, in Figuren, Puppen und Masken können sie eine Tagesgestalt annehmen. Wir sehen sie, können sie anfassen, können sie verkörpern in Rollenspiel und Theater oder lassen sie in inneren Bildern entstehen und teilen Sie durch Erzählen mit den Andern. „Den Dämonen Nahrung geben“ (Tsültrim Allione 2009) ist ein altes buddhistisches Ritual zum Aufspüren dieser inneren Energiefelder, die ein unbewusstes Eigenleben führen und immer mit einer Sehnsucht verbunden sind, einem ungelebten Leben.
Für das Therapeutische Maskenspiel gestaltet jede/r seine eigene Maske und beginnt damit eine Reise in eine Welt der Phantasien und Träume. Gemeinsam in der Gruppe können sie verkörpert und gezeigt werden. Im geschützten Raum der Gruppe ist Platz für Begegnung und Austausch und vor allem gibt es teilnahmsvolle Zeugen für die eigenen inneren Bilder und Gestaltungen. Wenn sie im Licht erscheinen, sind wir gebannt und neugierig, denn sie fangen
Farben, Atmosphären, Träume, Szenen ein. Es entsteht eine Spannung zwischen Verborgenem und Gezeigtem. In der Gestaltung gibt es immer bewusste Absichten und darüber hinaus ein Geschehen, das sich aus sich selbst heraus entwickelt. So lernen wir uns kennen und üben uns gleichzeitig darin, dieses Erkennen nicht festzuhalten. Die lebendige Veränderung, der ständiger Wandel des Lebens erfordert eine Offenheit, ein immer neu sich entwickeln, einstellen, verändern. Im Maskenspiel erarbeiten wir uns kreativ und auch lustvoll neue Erlebnis- und Seinsweisen.
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„Am Anfang war die schwarzgeflügelte Nacht, eine Göttin vor der selbst Zeus in Ehrfurcht stand. Nackt erhob sie sich aus dem Chaos, aber sie fand nichts Festes, darauf sie ihre Füsse setzen konnte. Sie trennte daher das Meer vom Himmel und tanzte einsam auf seinen Wellen. Vom Wind umworben, legte sie ein silbernes Ei in den Schoß der Dunkelheit…“
( griechischer Mythos nach Theater Kranewit ) |
Bilder des Figuren / Maskentheaters Kranewit zum Thema der Erschaffung der Welt aus dem Dunkel der Nacht. „In jedem Chaos wohnt ein Zauber inne“
( Theater Kranewit / Foto © Mara Sommer )
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Hat die Sonne einen Schatten ? |
Diese Frage tauchte auf bei einer Patientin, die sich durch die Sonne verfolgt sieht und sie hasst. Sonne in ihrem Erleben verbrennt, lässt nicht in Ruhe, verfolgt, erzeugt Krankheiten.
Das ist die „dunkle“ Seite der Sonne, mit der sie sich beschäftigt. |
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Wir entdecken einen Zusammenhang in ihrer Geschichte mit einem alkoholabhängigen Vater. Die Sonne steht nicht nur für die allmächtige und zerstörerische Kraft des Männlichen, die sie als Kind erleben musste. Sie ist auch Symbol dessen, was sie sich selbst nicht traut und zutraut. In dieser Projektion gehen ihr die Inhalte und Werte für Wärme, Zuneigung verloren. Darüber hinaus hat sie einen Gegner in der Welt, den sie nie wird besiegen, aus dessen Einfluss sie sich nie befreien wird können. Das bedeutet eine psychische Blockade, in der sie sich immer als zu klein, ausgeliefert, ohne Einfluss auf die Welt erlebt. Diese Sonne in der Maske zu gestalten, gar zu verkörpern eröffnet ein Erlebnisfeld von Macht und Einfluss und eine Differenzierung und Rücknahme der Projektion im besten Fall. Dann wird sie die Sonne als das erleben können, was sie ist, warm und kann ausweichen, wenn sie zu heiß ist.
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Oder sie gestaltet eine andere Sonne. Auch diese hat einen deutlichen Schatten…..
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Ist der Tod farbig ? |
In künstlerischen Darstellungen erscheint der Tod meist dunkel, schwarz, ohne Gesicht, mit Kapuze, verdeckt. Die Kleidung der Trauernden ist in unserer Kultur schwarz, in anderen weiß, aber das ist auch keine Farbe. In einem Maskenspiel malt jemand sich einen bunten Sarg, sorgfältig, fürsorglich und ist stolz auf sein Kunstwerk. |
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Die Zuschauer als Zeugen sind irritiert, amüsiert. Da bringt jemand etwas zusammen, was nicht zusammengehört: die Farbe und den Tod. Die Grundfarbe ist grün, orangerote Punkte darauf. Beide sind zentrale Farben des Lebens. Das Grün des Wachsens, das Orange und Rot als Symbol der aufspringenden Blüten, der vollen Lebenskraft, des Höhepunktes eines Lebens. (Theatre clownesque: „Souffle d’anges“ www.compagnieservicecompris.ch)
Absurdität – eine wundervolle Möglichkeit der humorvollen Gestaltung eines Themas der Nacht. Ein Thema, das oft in den Schattenwinkel geschoben wird: Den Tod wollen wir nicht wahrhaben…. „gibt es nicht, hier nicht und vor allem jetzt nicht.“ |
Ist der Teufel menschlich ?
Oh ja. Er kommt auf leisen Sohlen, sogar zum Pfarrer kommt er und will die Beichte ablegen. |
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Der Teufel ist die wichtige Schattengestalt überhaupt. Er ist der Schatten des Göttlichen, sein abgespalteter, dunkler Licht-Sohn (Luzifer). Die Freude und Lust an solchen Figuren zeigt, wie wichtig er ist in einer Tradition, die streng eine lebensfeindliche Macht über die Menschen ausübt. Gehorsam und Angst, Anpassung und Unterwerfung sind manchmal lebensbestimmende Faktoren. Dann werden Widerstand, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Angstlosigkeit verteufelt. Autonomie und Selbstverantwortung sind nicht gewünscht. Die Rebellion dagegen wird sichtbar in der Gestaltung von Hässlichkeit und in Aktionen von Widerstand gegen jede Erwartung von außen. Mancher holt hier einen versäumten pubertären Aufstand nach, der eine Trennung und damit Eigenständigkeit erst ermöglicht.
Hin und wieder ist dieser Aufstand aber nicht das eigentliche Thema. Da wurde ein Aufstand zur Haltung über Jahre und Jahrzehnte hinweg und eine wirkliche Lösung gibt es nicht, da die Weiterentwicklung fehlt.
Schattenfiguren sollte man möglichst nicht verwechseln mit ihrem ersten Erscheinungsbild, den Wächtern vor den Toren. Da sitzt dann der Hund mit den wagenradgroßen Augen und lässt niemanden durch. Der eigentliche und verborgene Schatz wird geschützt durch eine äußere Wut. Die Wut : „ich würde so gerne mal jemanden richtig verhauen..“ ist ein solcher Wächter. Verborgen ist darin oft ein Schmerz, eine Trauer, die nicht geteilt werden konnte. Sie musste als „Schwäche“ und „Abhängigkeit“ verborgen werden.
Es gibt kleine und große Wächter, dicke, dünne, stille, laute, aggressive und weinerliche. Die Geschichte dahinter sind die Energien, die uns maßgeblich beeinflussen. Aber – wie gesagt, erst muss man an den Wächtern vorbei und darf sich nicht verschrecken lassen.
Bekanntermaßen stehen die eigentlichen Geschichten oft in einem Kontrast zu den Wächtern. Ein lauter Wächter verschließt eine stille Verletzlichkeit und ein kleiner Jammerlappen verdeckt einen großen, wütenden Drachen. Im Gegensatz zur oben geschilderten Wut ist im Jammern und Wehklagen Ärger und Aggression nicht bewusst, ganz weggesperrt.
Egal ob Wächter oder jemand aus den inneren Kammern: diese inneren Figuren sind symbolisch abbildbar. Dies kann in Zeichnungen, in Farbe, Form, Masken oder imaginierten Bildern geschehen. Im Symbol zusammengefasst und zusammengefügt wird ausgedrückt, was die Worte nicht immer erfassen können. Die Amygdala, der Mandelkern der Gefühle entsteht vor der logischen Sprache und gehorcht anderen Gesetzen. |
Die Zärtlichkeit, Achtsamkeit mit den eigenen inneren Erscheinungsformen ermöglichen uns Wachstum und Entwicklung. |
Literatur: „Maskenspiel in Therapie und Pädagogik“ Katharina Sommer,
neuaufgelegt im Siriusverlag 2009
Fotos, soweit nicht anders angegeben von Katharina Sommer |
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