Die ältesten dokumentierten Maskierungen sind in Felszeichnungen festgehalten. Etwa 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ist der Mensch abgebildet, eingehüllt in die Haut eines Tieres, mit dessen Kopfform und seinen Hörnern.
Die Verwandlung des menschlichen Körpers in einen anderen setzt die Fähigkeit eines inneren Bildes voraus, das mehr ist als man selbst. Mit der bildhaften Vorstellung löst sich der Mensch aus der realen, sichtbaren Welt. Intuitiv empfinden sie das Andere in der Verwandlung. Sie bewegen sich wie Tiere, empfinden wie sie. CANETTI: „... was das überhaupt bedeutet, an ein Geschöpf zu denken, dass nicht er selbst ist.“ „Die Fähigkeit des Menschen zur Verwandlung, die ihm so viel Macht über alle übrigen Geschöpfe gegeben hat, ist noch kaum ins Auge gefasst und begriffen worden. Sie gehört zu den größten Rätseln: jeder hat sie, jeder wendet sie an, jeder hält sie für ganz natürlich. Aber wenige legen sich Rechenschaft darüber ab, dass sie ihr das Beste von dem, was sie sind, verdanken.“
In der Betrachtung der alten Maskenkulte finden wir grundlegende Elemente, die auch in den therapeutischen Maskenspielen auftauchen. Die heutigen Maskenspiele sind nicht aus den Traditionen des Maskenrituals gewachsen. Die Inhalte, der soziale Rahmen sind anders und doch sind wesentliche Teile der alten, früheren Erfahrung und Bedeutung darin. Dies ist wie ein Aufblitzen von Bildern alter Träume in einem neuen Traum.
Die Verkleidung im Maskenspiel heute hat keinen magischen Sinn, sie geschieht symbolisch. Im Verlauf der Spiele findet eine identitäre Verkörperung statt: der Mensch erfährt an sich die Wesenheit seiner dargestellten Figur bis in die emotionalen Dimensionen. Die eigene Person ist für diesen Moment zurückgestellt, wenn auch nicht verschwunden. Ein Maskenspieler ist kein Löwe und doch geht diese Verwandlung über den äußeren Schein hinaus. Der Maskenträger erfährt, wie sich ein Löwe bewegt und wie er empfindet. Die Metamorphose erfasst ihn ganz. Die daraus entsehende Erregung fördert körperliche und seelische Prozesse. Durch die verstärkte Atmung und besondere Bedingung von Neugier und Angst in der Verwandlung mit der Maske findet eine starke Energetisierung statt. Das ist ein Zustand von Verwirrung und Auflösung alter Strukturen, in dem sich der Raum anderer Erfahrung, anderer Impulse als bisher bekannt, öffnet.
Von den Windungen des Wurmes am Boden bis zum aufrechten Gang entwickeln sich die Variationen des körperlichen Ausdrucks. Die Möglichkeiten des körperlichen Selbst sind in einer normalen Ich-Person Entwicklung oft nicht ausgeschöpft, weil die Anregungen gefehlt hat oder eine Einengung durch Erziehung, Zivilisation stattgefunden hat.
Zu harte, festgehaltene Körper lernen die Weichheit, die Lockerung und Anspannung an Raum und Boden. Zu weiche und konturlose Körper lernen Struktur im Sinne einer Haltung. Ein Krieger muss in einer bestimmten Weise verkörpert werden, sonst ist er als solcher nicht zu erkennen. Die Maskenfigur „Krieger“ ermöglicht das Auffinden dieser ich-fremden Haltungen in spielerischer Art und Weise.
So werden spielerisch Verbindungen zwischen Psyche und Körper neu formiert. Die inneren Reaktionen sind meist zunächst nicht sichtbar. In unserer Kultur werden emotionale Bewegtheit meist nicht bis zu einer körperlichen Bewegung durchgelassen, die Person ist nicht durchlässig dafür. Die Vergrößerung der Gesten im Maskenspiel ist ein wesentliches Hilfsmittel. Die enge Verwandtschaft zum Tanz wird hiermit angedeutet. Eine neurotische Enge des Körpers kann sich in einer Weitung lösen und neu erproben.
Das Eintauchen in die Figur bedeutet nicht den Verlust der Realität. So hat jeder Maskenspieler gleichzeitig mehrere Bewusstseinsebenen im Spiel: die Gestaltung ihrer Figur, das Hineingehen in deren Haltungen und Gefühle; die Übersicht über den Raum, darin auch eine Orientierung auf die Zuschauer; schließlich die Begegnung mit den anderen Maskenfiguren und die Verständigung mit jenen über die Spielhandlungen.
Maskenfiguren - haben eine große Verhandlungsfähigkeit, trotz ihrer Festlegung in Form und Farbe. Die kleinste Bewegung, eine Veränderung der Haltung, des Lichteinfalls auf die Maske zeigt den großen Spielraum ihres Ausdrucks. So lächelt die Maske plötzlich, wird weich oder sie verhärtet sich. Die Phantasie der Zuschauer verleiht ihr ein Mienenspiel, dass sie objektiv gesehen nicht haben kann.
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